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»Du hältst es eben mit der Tuttiliebe,« sagte Nora. Nora war eine besonders belesene Person und hatte dieses schöne Wort bei Jean Paul aufgeschnappt. »Die Liebe zu vielen«, erläuterte sie, »um nicht zu sagen zu allen. Es handelt sich um eine Art Generalverliebtheit.«
Doch Eva wollte keine rechte Freude daran haben.
»Was ist so schlimm daran, viele Männer zu lieben?« fragte Nora und rollte sich eine Zigarette.
»Nichts«, antwortete Eva.
«Warum macht es dich dann so traurig?« fragte Nora weiter und leckte den Rand des Papierchens.
»Ich hänge so an jedem«, sagte Eva und sah ihre Freundin aus aufrichtig bekümmerten, grün gesprenkelten Augen an. »Ich bin jedem verwachsen wie das Moos dem Baum, an den es sich schmiegt.«
Nora kicherte.
»Das Dumme ist nur«, sagte Eva, »dass in meinem Herzen Platz für eine komplette Baumschule ist.«
»Soso«, machte Nora spöttisch und zündete die Zigarette an, »lauter junge Tännchen, oder was?«
»Naja«, sagte Eva, »kannst auch sagen, ein ganzer Wald.«
Nora lachte.
»Du bist gemein!« sagte Eva, fing aber auch an zu kichern.
Nora klemmte die Zigarette zwischen ihre schmalen, hübschen Lippen und begann, die Karten zu mischen.
»Ich verstehe immer noch nicht, was dich daran stört«, sagte sie.
»Nichts.«
»Mann, du schaffst mich. Wo ist dann das Problem?«
»Das Problem ist...« Eva zögerte. »Das Problem ist, wenn ich mich von einem losreissen muss wegen des andern.«
»Wer sagt denn, dass du das musst?«
»Meine Haut«, sagte Eva verduzt von ihrer Antwort.

[Kleine Geschichte von der Frau, die nicht treu sein konnte - Tanja Langer]

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